
Teil 2: Essen war auch mal leichter
On 3. Dezember 2017 by FlausenkindHast du den ersten Teil verpasst? Hier findest du mehr: Teil 1: Sekt für alle
Mit der Übermacht der Glitzerfeen änderte sich auch die Kommunikation zwischen allen Etagen des Hauses. Ein tolles Beispiel sind Nahrungsaufnahme und Konzentration. Mit nur 50% der Wissenschaftlerinnen, war das Dachgeschoss nun von Beamtinnen regiert. Standardprozesse wurden fleißig abgearbeitet. Unerwartetes mündete in großer Panik.
Benötigte der Keller mehr Produktionsmittel, wurde mit Hilfe eines Sprachrohrs der Befehl an das Mittelgeschoss gegeben. Das Mittelgeschoss war schließlich immer dafür verantwortlich. Hier konnte es allerdings länger dauern, bis jemand den Weg zum Sprachrohr an das Dachgeschoss findet. Ein paar Arbeiter waren mutig genug, sich durch das Möbelchaos zu kämpfen und gaben den Befehl schließlich weiter.
Währenddessen wurde der Befehlsgeber im Kellergeschoss ungeduldig und schrie weiter nach mehr Nachschub.
Nun ist die Nachricht endlich im Dachgeschoss angekommen. Die Beamtin schleppt sich langsam vom Sprachrohr zum Aktenschrank. „Oh Mann, so viele Akten. Wie soll ich da nur alleine das richtige Protokoll zur Essenssuche finden. Das ist doch Giselas Abteilung. Giselaaaaaa, welches ist das richtige Protokoll zur Aktivierung der Essensuche?“
Gisela schläft.
Irgendwann ist das Protokoll gefunden. Das Signal zur Essensuche ist ausgelöst. Während ich auf dem Weg in die nächste Schnellimbissecke bin, schaukelt sich der Konflikt in meinem Haus hoch. Aus dem Keller schreit es „Jetzt mal schnell da oben! Wir können die Produktion auf keinen Fall anhalten, sonst explodiert hier unten alles. Driiiingend!“. In der Mitte wird man auch immer nervöser „Los Dachgeschoss! Der Befehl muss sofort ausgeführt werden“. Der Bote macht zwar Druck, ist jedoch gleichzeitig von der Angst gepackt was wohl passieren mag, wenn die Schränke gleich gefüllt werden. Dann wieder dieser Stress mit der Aufbereitung für den Keller. Kann man sie nicht mal in Ruhe lassen?
Es schallt aus dem Keller bis in das Dachgeschoss. Die arme überforderte Beamtin hat beide unteren Geschosse gehört. Papiere fliegen durch die Luft, Dokumente werden falsch gestempelt. Ihre Gesichtsfarbe wird dunkelrot und aus ihren Ohren dampft es. „Immer muss ich hier alles alleine machen. Keiner reagiert, nur ich. Das ist doch ein unorganisierter Saftladen hier!“ Sie stampft und wütet. Ihre Kollegin Gisela macht Mittagsschlaf. Das ist schon ihr zweiter Mittagsschlaf heute.
Währenddessen stehe ich zwischen fünf Imbissläden und habe die Auswahl zwischen Baguette, Pizza, Burger, Salat und Döner. Ich werde immer verzweifelter. Frittiertes und Fettiges finde ich seit Kurzem widerlich.
Manchmal fällt eine Kommode im Mittelgeschoss durch die ganze Umstrukturierung so hin, dass ein paar Schalter umgelegt werden. Den Schalter für die Abneigung gegen Frittierten und Fettigen hat man bis zum Ende nicht mehr gefunden. Am liebsten würde ich mich den ganzen Tag von Obst und Gemüse ernähren. Alles, was den Geschmack verändert, z.B. Salatdressing, wird rigoros vermieden. Der Verantwortliche für Geschmacksunterstreicher ist leider auch umgezogen, wahrscheinlich in den üppig ausgebauten Balkon. Dort spezialisiert er sich nun ausschließlich auf die Herstellung von Milch mit einer leichten Note von Vanille.
Irgendwann räumte eine Arbeiterin aus dem Mittelgeschoss den Fernseher von diesem Nahrungsschalter weg und schmiss ihn auf den Avocado-Schalter. Also aß ich massenhaft Avocados. Glücklicherweise hielt das nur einige Wochen an und der Fernseher wurde auf den Nutella-Schalter geschmissen. Zeitweise haben wir darüber nachgedacht, ob wir unser Kind Nutella nennen sollten.
All das wäre schon Grund genug gewesen, überfordert und wie versteinert zwischen den Imbissständen stehen zu bleiben. Wenn dann all diese Gelüste auf Kompatibilität mit dem Essensangebot geprüft wurden, meldete sich eine Beamtin aus dem Dachgeschoss. Sie war neu. Die einzige neue Beamtin, die extra für die Sondersituation rekrutiert und sofort eingestellt wurde. Vielleicht wurde sie auch nicht neu eingestellt, sondern schlief bisher nur mein ganzes Leben.Ihre Zuständigkeit beschränkte sich auf Besonderheit der Schwangerschaft: was man essen darf, welchen Sport man machen darf, was man anfassen darf, wie oft man zwinkern darf usw. Sie kannte alle Ratgeber auswendig. Auf jeden Fall war es eine kräftige laute Person mit einem Nudelholz in der Hand. Und so filterte diese nicht ganz so freundlich aussehende Dame in meinem Kopf das Essenangebot nochmals auf Produkte ohne Mayonnaise, ohne rohem Fisch, ohne Salami und nach Hygienestandards.
Die Verkäufer sahen mich ungeduldig an. Ich kämpfte gegen die extrem starke Neigung an, mich jetzt und hier sofort auf den Boden zu werfen, laut zu weinen und mit Fäusten und Beinen auf den Boden zu stampfen. Ich war so hungrig und gleichzeitig so überfordert. Wie ferngesteuert ging ich auf den Bäcker zu. „Ein Couscoussalat ohne Mayonnaise, ohne rohem Ei und ohne Lachs bitte“
Danach waren alle Etagen unheimlich erschöpft und legten sich erstmal schlafen. Ich lief wie automatisiert zum Schreibtisch zurück ohne mich später Erinnern zu können, wie ich dort hingekommen bin. Dort starrte ich auf den Bildschirm und zählte Einhörner.
Gisela war erleichtert: jetzt konnte sie endlich ihren dritten Mittagsschlaf machen.
Hier geht’s weiter:
Teil 3: gerettet vom Nachbarhaus
Teil 4: der Kampf gegen die Schimmelviren
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